1. Das Trinklied vom Jammer der Erde - Li-Tai-Po (701-762)
Schon winkt der Wein im goldnen Pokale,Doch trinkt noch nicht, erst sing ich euch ein Lied!Das Lied vom Kummer soll auflachendin die Seele euch klingen.Wenn der Kummer naht,liegen wüst die Gärten der Seele,Welkt hin und stirbt die Freude, der Gesang.Dunkel ist das Leben, ist der Tod.Herr dieses Hauses!Dein Keller birgt die Fülle des goldenen Weins!Hier, diese Laute nenn' ich mein!Die Laute schlagen und die Gläser leeren,Das sind die Dinge, die zusammen passen.Ein voller Becher Weins zur rechten ZeitIst mehr wert, als alle Reiche dieser Erde!Dunkel is das Leben, ist der Tod.Das Firmament blaut ewig und die ErdeWird lange fest stehenund aufblühn im Lenz.Du aber, Mensch, wie lang lebst denn du?Nicht hundert Jahre darfst du dich ergötzenAn all dem morschen Tande dieser Erde!Seht dort hinab!Im Mondschein auf den Gräbernhockt eine wildgespenstische Gestalt.- Ein Aff ist's!Hört ihr, wie sein Heulen hinausgelltin den süßen Duft des Lebens!Jetzt nehmt den Wein! Jetzt ist es Zeit, Genossen!Leert eure goldnen Becher zu Grund!Dunkel ist das Leben, ist der Tod!
2. Der Einsame im Herbst - Tchang-Tsi (765? - 830?)
Herbstnebel wallen bläulich überm See;Vom Reif bezogen stehen alle Gräser;Man meint', ein Künstler habe Staub vom JadeÜber die feinen Blüten ausgestreut.
Der süße Duft der Blumen is verflogen;Ein kalter Wind beugt ihre Stengel nieder.Bald werden die verwelkten, goldnen BlätterDer Lotosblüten auf dem Wasser ziehn.Mein Herz ist müde. Meine kleine LampeErlosch mit Knistern; es gemahnt mich an den Schlaf.Ich komm zu dir, traute Ruhestätte!Ja, gib mir Ruh, ich hab Erquickung not!Ich weine viel in meinen Einsamkeiten.Der Herbst in meinem Herzen währt zu lange.Sonne der Liebe, willst du nie mehr scheinen,Um meine bittern Tränen mild aufzutrocknen?
3. Von der Jugend - Li-Tai-Po (701-762)
Mitten in dem kleinen TeicheSteht ein Pavillon aus grünemUnd aus weißem Porzellan.Wie der Rücken eines TigersWölbt die Brücke sich aus JadeZu dem Pavillon hinüber.In dem Häuschen sitzen Freunde,Schön gekleidet, trinken, plaudern,Manche schreiben Verse nieder.Ihre seidnen Ärmel gleitenRückwärts, ihre seidnen MützenHocken lustig tief im Nacken.Auf des kleinen Teiches stillerWasserfläche zeigt sich allesWunderlich im Spiegelbilde.Alles auf dem Kopfe stehendIn dem Pavillon aus grünemUnd aus weißem Porzellan;Wie ein Halbmond steht die Brücke,Umgekehrt der Bogen. Freunde,Schön gekleidet, trinken, plaudern.
4. Von der Schönheit - Li-Tai-Po (701-762)
Junge Mädchen pflücken Blumen,Pflücken Lotosblumen an dem Uferrande.Zwischen Büschen und Blättern sitzen sie,Sammeln Blüten in den Schoß und rufenSich einander Neckereien zu.Goldne Sonne webt um die Gestalten,Spiegelt sie im blanken Wasser wider.Sonne spiegelt ihre schlanken Glieder,Ihre süßen Augen wider,Und der Zephyr hebt mit Schmeichelkosen das GewebeIhrer Ärmel auf, führt den ZauberIhrer Wohlgerüche durch die Luft.O sieh, was tummeln sich für schöne KnabenDort an dem Uferrand auf mut'gen Rossen?Weithin glänzend wie die Sonnenstrahlen;Schon zwischen dem Geäst der grünen WeidenTrabt das jungfrische Volk einher!Das Roß des einen wiehert fröhlich aufUnd scheut und saust dahin;Über Blumen, Gräser, wanken hin die Hufe,Sie zerstampfen jäh im Sturm die hingesunknen Blüten.Hei! Wie flattern im Taumel seine Mähnen,Dampfen heiß die Nüstern!Goldne Sonne webt um die Gestalten,Spiegelt sie im blanken Wasser wider.Und die schönste von den Jungfraun sendetLange Blicke ihm der Sehnsucht nach.Ihre stolze Haltung is nur Verstellung.In dem Funkeln ihrer großen Augen,In dem Dunkel ihres heißen BlicksSchwingt klagend nochdie Erregung ihres Herzens nach.
5. Der Trunkene im Frühling - Li-Tai-Po (701-762)
Wenn nur ein Traum das Leben ist,Warum denn Müh und Plag?Ich trinke, bis ich nicht mehr kann,Den ganzen, lieben Tag!Und wenn ich nicht mehr trinken kann,Weil Kehl und Seele voll,So tauml' ich bis zu meiner TürUnd schlafe wundervoll!Was hör ich beim Erwachen? Horch!Ein Vogel singt im Baum.Ich frag ihn, ob schon Frühling sei,Mir ist als wie im Traum.Der Vogel zwitschert: "Ja! Der LenzIst da, sei kommen über Nacht!"Aus tiefstem Schauen lausch ich auf,Der Vogel singt und lacht!Ich fülle mir den Becher neuUnd leer ihn bis zum GrundUnd singe, bis der Mond erglänztAm schwarzen Firmament!Und wenn ich nicht mehr singen kann,So schlaf ich wieder ein,Was geht mich denn der Frühling an!?Laßt mich betrunken sein!
6. Der Abschied - Mong-Kao-Yen
Die Sonne scheidet hinter dem Gebirge.In alle Täler steigt der Abend niederMit seinen Schatten, die voll Kühlung sind.O sieh! Wie eine Silberbarke schwebtDer Mond am blauen Himmelssee herauf.Ich spüre eines feinen Windes Weh'nHinter den dunklen Fichten!Der Bach singt voller Wohllaut durch das Dunkel.Die Blumen blassen im Dämmerschein.Die Erde atmet voll von Ruh und Schlaf,Alle Sehnsucht will nun träumen.Die müden Menschen gehn heimwärts,Um im Schlaf vergeßnes GlückUnd Jugend neu zu lernen!Die Vögel hocken still in ihren Zweigen.Die Welt schläft ein!Es wehet kühl im Schatten meiner Fichten.Ich stehe hier und harre meines Freundes;Ich harre sein zum letzten Lebewohl.Ich sehne mich, o Freund, an deiner SeiteDie Schönheit dieses Abends zu genießen.Wo bleibst du? Du läßt mich lang allein!Ich wandle auf und nieder mit meiner LauteAuf Wegen, die vom weichen Grase schwellen.O Schönheit! O ewigen Liebens- Lebenstrunkne Welt!
Wang-Wei
Er stieg vom Pferd und reichte ihm den TrunkDes Abschieds dar. Er fragte ihn, wohinEr führe und auch warum es müßte sein.Er sprach, seine Stimme war umflort: "Du, mein Freund,Mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold!Wohin ich geh? Ich geh, ich wandre in die Berge.Ich suche Ruhe für mein einsam Herz.Ich wandle nach der Heimat, meiner Stätte.Ich werde niemals in die Ferne schweifen.Still ist mein Herz und harret seiner Stunde!""Die liebe Erde allüberallBlüht auf im Lenz und grünt Aufs neu!Allüberall und ewigBlauen licht die Fernen!Ewig... ewig..."
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